Matera ist keine schöne Stadt, wenn man vom eigentlichen Sinn dieses Adjektivs ausgeht. Es ordnet sich nicht den ästhetischen Ansprüchen einer Kunststadt unter. Luisa Levi, Ärztin und Schwester von Carlo Levi, hatte Recht als sie 1935 nach Matera kam und es als „gewaltig“ im Sinne von tragisch definierte […]
Es gibt die Sassi, weil jemand sie gegraben hat, dort gelebt und sie am Leben erhalten hat, noch bevor sie jemand als Sehenswürdigkeit ausgemacht hat. Dieses Buch will mitteilen, dass wir hier nicht von Steinen sprechen, sondern von Menschen, die man auch als Helden bezeichnen kann, die aus ihrer Stadt über Jahrhunderte die „Hauptstadt der Bauern“ machten, 1993 Weltkulturerbe der Unesco wurden und schließlich 2019 die, Kulturhauptstadt Europas“.
Prezzo: | €12.00 |
SKU: | 9788898200269 |
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Vorwort
Matera ist keine schöne Stadt, wenn man vom eigentlichen Sinn dieses Adjektivs ausgeht. Es ordnet sich nicht den ästhetischen Ansprüchen einer Kunststadt unter. 1935 kam Luisa Levi, Ärztin und Schwester von Carlo Levi, nach Matera und definierte sie als „gewaltig“ im Sinne von tragisch. In der darauf folgenden Zeit richteten Architekten und Stadtplaner ihre Aufmerksamkeit auf das äußere Erscheinungsbild der Sassi, der Felsenhöhlen, die das Besondere in Matera ausmachen. Die Aufmerksamkeit wurde auf Details, Intarsien, die Dächer und die Balkone gerichtet, da man eine analytische Beschreibung der in Tuffstein geschaffenen Siedlung liefern wollte. Der gesamtheitlichen Betrachtung der Sassi wurde keine Bedeutung beigemessen, da man davon ausging, dass hinter den Sassi keine gemeinsame, kreative Absicht stand. Aus diesem Grund muss man, um soziologische und anthropologische Studien zu finden, auf Daten aus den 40er bis 50er Jahren des 20. Jahrhunderts zurückgreifen. Im Verlauf der Wiederbelebung und der Restauration hat niemand sich mehr die Mühe gemacht, sich in eine der Höhlen zu begeben, um das Atmen, das Leiden, die Krankheiten, die Kälte, die Dunkelheit zu spüren, welche es lebensnotwendig machten, dicht beieinander zu sitzen und zu schlafen; sich mit dem eigenen Atem oder dem Atem der Tiere zu wärmen. Das heutige als schön und ansprechend geltende Erscheinungsbild der Sassi kann daher auch als irreführend bezeichnet werden.
Jahrhundertelang wurde diese Welt von der obenliegenden “Ebene” her, auf der Barone und Edelmänner lebten, suspekt und beschämt betrachtet. Man verbot sich selbst und seinen Kindern, in diese „Hölle“ hinabzusteigen. Erst nach der Räumung der Sassi bedauerte die „obere“ Stadt den unbewohnten Zustand und schlug eine Aufwertung und eine Rückkehr in die Sassi vor. Die Aufmerksamkeit wurde jedoch nur auf die Wände, den Tuffstein und ihre Kommerzialisierung gerichtet. Man darf sich deshalb nicht wundern, dass manche Touristen die Sassi als Steine bzw. steinige Landschaft betrachten und die neu erscheinenden Wände aus Tuffstein, die nichts mit ihrer Vergangenheit zu tun haben, zufrieden bestaunen.
Franco Villani, Verleger und Freund der sich nicht von der äußeren Erscheinung blenden lässt, bat mich, ihn in die Sassi zu begleiten. Wir besichtigten die steilen, unverbundenen und rutschigen Gassen und betraten auch einige Höhlen. Er war aber nicht auf der Suche nach Worten. Er hatte sich mit Franco Carella, einem flinken Maler und Zeichner, zusammengetan und wollte eine Erfahrung, die er in seinem Heimatort Calvello bereits gemacht hatte, für Matera wiederholen. Er wollte einen Film „drehen“, aber keinen gewöhnlichen Film wie viele andere, der die Sassi als spektakuläre Kulisse benutzt. Vielmehr wollte er die Menschen und ihr Leben darstellen und sozusagen einen Animations“film“ schaffen. Franco Carella begann, die Geschichte und die lebende Chronik der Ereignisse der Sassi bis zum Zeitpunkt des Sanierungsgesetzes zu zeichnen, welches sich schnell in ein Evakuations- und Verlassungsgesetz verwandelte.
Um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, war die Hand eines begnadeten Zeichners notwendig, der sich von seinem Herzen und seinen Erinnerungen leiten ließ. Außerdem benötigte es einprägsamer Bildunterschriften zur Erklärung der Zeichnungen. Der „Film“, kein Comic und auch kein Buch, ist vollendet. Man findet Gesichter von Frauen, von Bauern, Gegenstände und Perspektiven, in denen sich Jahrhunderte voller Arbeit und Mühe, Geburten und Tod in Kälte und Dunkelheit wiederfinden. Ein dramatischer, aber auch epischer Anpassungskampf an den Tuffstein findet hier seinen Ausdruck. Es gibt die Sassi, weil jemand sie gegraben hat, dort gelebt und sie am Leben erhalten hat, noch bevor sie jemand als Sehenswürdigkeit ausgemacht hat. Dieses Buch will mitteilen, dass wir hier nicht von Steinen sprechen, sondern von Menschen, die man auch als Helden bezeichnen kann, die aus ihrer Stadt über Jahrhunderte die „Hauptstadt der Bauern“ machten, 1993 Weltkulturerbe der Unesco wurden und schließlich 2019 die „Kulturhauptstadt Europas“.
INFORMAZIONI:
Autori | Carella-Caserta-Villani |